Drei Fragen an…


Maria Kiczka-Halit, Leiterin des  Projektes


neustart

Viele Menschen mit Migrationsgeschichte und Fluchterfahrungen wollen in Deutschland gründen. Dabei stellt sich oftmals die Finanzierung eines eigenen Unternehmens als zentrale Herausforderung heraus. Im Gespräch der Leiterin des Projektes neustart besprechen wir die Ursachen und mögliche Lösungen dafür.

Auf welchem Wege finanzieren Menschen mit Fluchterfahrungen ihre Gründungen?


Es gibt im Wesentlichen drei Wege der Finanzierung. Es gibt diejenigen, die das Glück hatten und Geld aus ihrer Heimat mitbringen konnten. Dann versuchen wir natürlich auch für unsere Gründerinnen und Gründer, Zuschüsse oder Darlehen vom Jobcenter bekommen. Die liegen in der Regel bei etwa 5000 Euro. Können aber auch bis zu 20.000 Euro hoch sein. Außerdem gibt es auch die Möglichkeit der Mikrokredite von der Investitionsbank Berlin. Diese Kredite gehen bis zu 25.000 Euro. Solche Summen werden allerdings nur in Ausnahmefälle vergeben und vor allem auch nur dann, wenn eine gewisse Sicherheit dafür besteht, dass das Geld auch zurückgezahlt werden kann.



Der Weg sich Investoren oder Investorinnen zu suchen, ist bisher wenig erschlossen. Das liegt sicherlich daran, dass diese natürlich auch eine gewisse Sicherheit haben wollen, dass sich ihre Investition lohnt und sie Gewinne erwirtschaften können. Das ist bei Menschen mit Fluchterfahrungen aufgrund der Aufenthaltsgesetze schwierig.


Welche Herausforderungen gibt es derzeit bei der Finanzierung von Gründungen durch Menschen mit Fluchterfahrungen?


Eine große Herausforderung ist der Kontext des Aufenthaltsgesetzes, der den Aufenthalt vieler Menschen mit Fluchterfahrungen auf 2 bis 3 Jahre beschränkt. Schon bei Krediten bis zu 25.000 Euro, ist eine Rückzahlung des Darlehens über drei Jahre sehr ambitioniert; alles was über 25.000 Euro hinaus geht eigentlich undenkbar. Daher finanzieren die Menschen ihre Gründung meistens eher noch allein. Das führt dazu, dass die Gründung sehr lange dauert oder gar nicht stattfinden kann.


Beim Jobcenter sehen wir die Herausforderung, dass der Fokus weiterhin klar bei der Vermittlung von Leistungsempfänger:innen in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt. Eine Gründung ist aus Sicht des Jobcenters dem noch nicht gleichgestellt, was eine Finanzierung von Gründungsvorhaben deutlich unwahrscheinlicher macht. Dennoch haben wir jetzt Fälle, in denen das Jobcenter durchaus auch hohe Summen vergibt. Unmöglich ist es also nicht.


Welche Unterstützung seitens von Politik und Wirtschaft braucht es in der Zukunft bei der Gründung von Menschen mit Fluchterfahrungen?


Man kann sich viele Modelle vorstellen, wie eine Finanzierung von Gründungen besser gelingen kann. Beispielsweise könnten die Zuschüsse des Jobcenters und die Mikrokredite der IBB kombiniert werden, sodass von insgesamt 15.000 Euro Gründungsinvestition vielleicht nur 5.000 Euro an die IBB zurückgezahlt und 10.000 Euro vom Jobcenter als Zuschuss vergeben werden.


Für mich ist ein zentraler Punkt dennoch, dass an dem Vermittlungsvorrang gearbeitet werden muss. Perspektivisch muss beim Jobcenter die Gründung gleichgestellt sein mit der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Das sollte nach dem Motto „Gründung für alle.“ geschehen.



An dritter Stelle steht außerdem, dass es über die politische Ebene eine verlässlichere Aufenthaltszusage für Menschen mit Fluchterfahrungen in Deutschland gibt. Das würde die Kreditvergabe durch Banken viel chancenreicher machen. Schon jetzt beträgt die Bleibequote von Menschen mit Fluchterfahrungen aus Syrien 97%. Bei diesen Menschen darf keine Sorge bestehen, dass ein verkürzter Aufenthalt die Rückzahlung von Krediten verunmöglicht

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